Atomkraft als Heilsbringer?

Atomkraft als Heilsbringer?

Neue Atomkraftwerke braucht das Land!

Dieser Ruf erschallt immer mehr als Antwort auf drohende Energieengpässe im kommenden Winter. Die Schweiz solle wegkommen von Technologieverboten – konkret Art. 12a im Kernenergiegesetz streichen, der als Folge des klaren Volks-Ja zur Energiestrategie 2050 die Erteilung eine Rahmenbewilligung für Kernkraftwerke untersagt.

Diese simple Lösung geht aus ganz verschiedenen Gründen nicht auf:

Zeitlich

Die Dauer von der Planung eines Kernkraftwerks bis zum ersten Stromfluss dauert Jahre bis Jahrzente – auch bei mehr oder weniger etablierten Technologien. Prominentes Beipiel dafür ist das finnische AKW Olkiluoto 3, dessen Bau nach eine Ausschreibungs- und Planungsphase im Jahr 2003 in Auftrag gegeben wurde. Erst in diesem Jahr erfolgten erste Testläufe. Von der Auftragsvergabe bis zum kommerziellen Betrieb werden voraussichtlich fast 20 Jahre vergangen sein. Andere europäische Kernkraftprojekte sind mit ähnlicher Verzögerung unterwegs (Hinkley Point C (GB), Flamanville 3 (F)).

Politisch

Das Hindernis für den Bau von neuen Kernkraftwerken in der Schweiz ist nicht das Verbot im Kernenergiegesetz, sondern die Schweizer Bevölkerung, die sich immer noch klar gegen neue Kernkraftwerke ausspricht. Dies hat eine kürzlich vom Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) in Auftrag gegebene Studie ergeben. Falls einmal sichere Kernkraftwerke einer neuen Generation zur Verfügung stehen, bliebe immer noch genügend Zeit, die politische Diskussion zu führen und das Kernenergiegesetz anzupassen.

Juristisch

Selbst bei einer Streichung von Art. 12a des Kernenergiegesetzes ist fraglich, ob die allgemeingültigen Bedingungen für Kernanlagen gemäss Art. 13 erfüllt werden könnten – namentlich die Sicherstellung des Schutzes von Mensch und Umwelt sowie der Nachweis für die Entsorgung der anfallenden radioaktiven Abfällen.

Finanziell

Eine zuverlässige Stromversorgung darf ihren Preis haben. Man muss sich jedoch die Frage stellen, mit welcher Technologie die notwendigen Mengen zu den richten Zeiten am kostengünstigsten bereitgestellt werden können. Die heutige Tendenz der Gestehungskosten zeigt einen klaren Trend. Erneuerbare Energien werden immer noch günstiger, während Kernenergie eine stark steigende Tendenz zeigt. Im Fall von Hinkey Point C wurde der Bau nur fortgesetzt, weil der Britische Staat einen minimalen Strompreis garantiert und somit die Stromproduktion subventioniert. Zudem wurden die Baukosten bei allen Anlagen, die in Europa im Bau sind, massiv unterschätzt.

Fazit

Es ist nicht auszuschliessen, dass in Zukunft eine neue Technologie zur Nutzung der Kernenergie nach einer Neubeurteilung der Lage verlangt. Welche Bedingungen an eine solche neue Technologie zu richten sind, habe ich in einem Standpunkt der Grünliberalen dargelegt.

Weder für den kommenden Winter noch für die nächsten 10-20 Jahre bietet die Kernkraft aber eine Alternative zu einem raschen und massiven Ausbau der erneuerbaren Energieproduktion in der Schweiz und im Ausland sowie parallel dazu mehr Energieeffizienzmassnahmen und allenfalls weitere Verbrauchsreduktionen.